Kapitel 1
Mairi
Forbes
drehte
sich
seufzend
um
und
nahm
auch
noch
den
Rest
ihrer
ge-
meinsamen
Bettdecke
mit.
Graham
wachte
fast
sofort
auf.
Es
war
weniger
die
plötzliche
Kälte
als
die
Abwesenheit
des
Gefühls
von
Geborgenheit,
das
die
Nähe
ihres
Körpers
und die Wärme der gemeinsamen Decke ihm verschaffte.
Er
war
viele
Wochen
unterwegs
gewesen,
hatte
verschiedene
Ölbohrplattformen
in
der
Nordsee
besucht
und
war
wie
immer
nach
einer
langen
Abwesenheit
fast
überwältigt
davon,
wie
glücklich
er
war,
wieder
zu
Hause
und
bei
Mairi
zu
sein.
Obwohl
diese
sich
für
seinen
Geschmack
immer
viel
zu
schnell
daran
gewöhnte,
das
Ehebett
und
vor
allem
die
Bettdecke
für
sich
alleine
zu
haben.
Behutsam
hob
er
ihren
Arm
an
und
zog
die
Decke
soweit
heraus,
dass
sie
auch
ihn
noch
bedeckte.
Er
rückte
noch
ein
wenig
näher
an
sie
heran
und
atmete
den
Duft
ihrer
Haare
ein.
Dann
schlief
er
fast
sofort wieder ein und träumte vom Meer.
Als
er
das
nächste
Mal
die
Augen
aufmachte,
war
das
Bett
neben
ihm
leer.
Er
spitzte
die
Ohren.
Vielleicht
käme
sie
gleich
zurück.
Dann
würde
sie
sich
an
ihn
kuscheln
und
daraus
könnte
sich
allerlei
ergeben.
Er
war
schließlich
eine
Weile
auf
hoher
See
gewesen,
beschränkt
auf
die
Gesellschaft
rauer
Männer,
für
die
Frauen
ein
Thema
ganz
besonderer
Art
war.
Er
grinste.
Für
die
war
er
doch
nur
ein
Macker
aus
den
oberen
Etagen.
Die
hüteten
ihre
Zunge
so
gut
sie
konnten,
solange
er
in
der
Nähe
war.
Aber er bekam trotzdem noch genug mit.
Dann
hörte
er
ihre
Stimme.
Sie
telefonierte.
Das
bedeutete
nichts
Gutes.
Sie
hatte
ihm
ein
freies
Wochenende
versprochen.
Hoch
und
heilig.
Aber
er
wusste
aus
Erfahrung,
wie
schnell
ein
Notfall
ihr
einen
Strich
durch
ihre
kostbare
gemeinsame
Zeit
machen konnte.
Seine
Frau
war
Polizistin.
Er
war
stolz
auf
sie
und
bewunderte
sie
für
den
Job,
den
sie
machte.
Sie
war
mit
Leib
und
Seele
dabei
und
hatte
es
vor
kurzem
zum
Chief
Inspector
gebracht.
Er
fand,
dass
alles,
was
an
ihr
sowieso
schon
attraktiv
war,
noch
ein
bisschen
attraktiver
wurde,
weil
diese
junge
Frau
mit
den
blitzenden
Augen
und
der
fröhlichen
Stimme
bereits
Verbrecher
zur
Strecke
gebracht
hatte,
vor
denen
sich
sogar
ältere, abgebrühtere Kollegen in Acht genommen hatten.
Er
schwang
sich
aus
dem
Bett
und
griff
nach
seinem
alten
ausgeleierten
Lieblings-
pullover,
den
er
über
den
Pyjama
zog.
Mairi
hatte
ihm
zu
Weihnachten
einen
wunder-
baren
gesteppten
Morgenmantel
geschenkt,
um
ihn
dazu
zu
bringen,
sich
besser
anzuziehen,
aber
er
wollte
gar
nicht
seriöser
erscheinen.
Wenn
ihn
ein
zufällig
Vorbeigehender
entdeckte,
sah
er
in
dem
alten
Pullover
halbwegs
angezogen
aus,
nicht
wie
ein
Idiot,
der
als
Lord
verkleidet
herumstolzierte.
Wenigstens
redete
er
es
sich
selbst ein.
Sie
wohnten
in
einem
jener
typischen
Reihenhäuser,
die
man
in
jeder
britischen
Stadt
finden
konnte.
Ihr
Haus
unterschied
sich
von
den
Nachbarhäusern
höchstens
durch
die
Farbe
der
Haustüre
und
die
Vorhänge
im
Wohnzimmer.
Wie
viele
moderne
Hausbesitzer
hatten
sie
die
Wand
zwischen
Esszimmer
und
Küche
durchbrochen
und
damit
einen
langen,
offenen
Raum
geschaffen,
der
sein
Licht
sowohl
von
der
Straße
aus,
als
auch
von
der
Gartenseite
bekam.
Und
genau
das
führte
dazu,
dass
Vorübergehende
ihn
öfter
im
Pyjama
und
seinem
Lieblingspullover
erwischen
konnten,
denn dies war der Raum, in dem sich ihr alltägliches Leben abspielte.
Er
hätte
lieber
ein
bisschen
weiter
draußen
gewohnt.
Da,
wo
nicht
jeder
Vorüber-
gehende
sofort
durch
das
ganze
Haus
sehen
konnte.
Mit
einem
größeren
Garten,
vielleicht
sogar
mit
einer
längeren
Zufahrt,
die
nur
die
benutzen,
die
tatsächlich
zu
ihm
wollten.
Er
träumte
manchmal
von
dem
Schutz
hoher
Bäume
oder
von
einem
Ausblick
über
ein
weites
Meer.
Aber
das
waren
nur
Träume.
Seine
Frau
musste
jederzeit
abrufbar
sein.
Ihr
den
kürzest
möglichen
Weg
zu
ermöglichen,
war
seine
Pflicht,
auch
wenn
es
bedeutete,
in
einem
Reihenhaus
am
Leben
der
Nachbarn
mehr
teilzunehmen,
als
ihn
eigentlich
interessierte,
und
sich
um
die
drei
Büsche
in
dem
winzigen
Garten
hinter ihrem Haus zu kümmern
Nun
fand
er
seine
Frau
in
ihrem
Wohnzimmer,
Küche
und
Esszimmer
in
einem
Raum
vereint,
das
Telefon
zwischen
Schulter
und
Ohr
eingeklemmt,
während
sie
auf
einem
der
zwei
Hocker
an
der
Frühstücksbar
saß
und
sich
Notizen
machte.
Sie
schenkte
ihm
ein
süßes
Lächeln,
mit
mehr
als
einer
Spur
von
Bedauern
darin.
„Ich
wiederhole“,
sagte
sie
gerade,
„A
wie
Alpha,
U
wie
Uniform,
L
wie
Lima,
T
wie
Tango,
B
wie
Bravo,
E
wie
Echo,
A
wie
Alpha.
Und
wie
spricht
man
das
jetzt
aus?
Aultbea…
Ja,
ist
auch
egal.
Ich
werde
es
finden.
Und
ihr
schickt
mir
den
Rest
per
Email?
Okay.
Sobald ich es durchgesehen habe, melde ich mich … Nein. Ist schon in Ordnung.“
Sie
beendete
das
Gespräch
und
runzelte
die
Stirn.
Er
vermutete,
dass
sie
gerade
angestrengt
darüber
nachdachte,
wie
sie
ihm
die
bittere
Pille
versüßen
könnte.
„Ein
dringender
Fall?“,
erbarmte
er
sich
schließlich.
Sie
war
über
ein
ausgefallenes
Wochenende sicher genauso traurig wie er.
„Eine
seltsame
Geschichte“,
murmelte
sie,
als
wäre
sie
schon
weit
weg.
Am
Tatort.
Unter
ihresgleichen.
Mit
Spurensuche
beschäftigt.
„Da
ist
eine
Touristin
gestorben.
In
einem
gottverlassenen
Kaff
an
der
Westküste.
Erst
ist
ihr
schlecht
geworden,
dann
ist
sie
zusammengebrochen.
Man
hat
sie
noch
ins
Krankenhaus
nach
Inverness
gebracht,
aber
sie
ist
kurz
nach
der
Einlieferung
an
Leberversagen
gestorben.
Ganz
routinemäßig
haben
sie
eine
Autopsie
angeordnet,
weil
es
für
die
Verstorbene
ja
keine
medizinische
oder
sonstige
dokumentierte
Vorgeschichte
in
diesem
Land
gab.
Außerdem
hatte
ihr
Mann
ausgesagt,
sie
sei
eigentlich
immer
gesund
gewesen.
Und
jetzt
stellt
sich
heraus,
dass
die
Frau
vergiftet
wurde.
Und
in
Inverness
haben
sie
im
Moment
niemanden,
der
den Fall übernehmen könnte. Deshalb sollen wir einspringen.“
„Und deshalb musst du jetzt sofort da hin?“
Sie
sah
ihn
an,
als
ob
sie
sich
erst
an
ihn
und
ihr
Versprechen
erinnern
müsste.
Dann
lachte
sie:
„Nein.
Keine
Angst.
Das
Wochenende
bleibt
uns
schon.
Aber
ich
werde
mir
anschauen
müssen,
was
sie
mir
gemailt
haben.
Und
ich
werde
ein
paar
Mal
tele-
fonieren müssen. Es scheint etwas komplizierter zu sein.“
„Weißt
du
etwas
über
den
grünen
Knollenblätterpilz?“,
fragte
sie
während
des
Sonntagsfrühstücks
und
rührte
geistesabwesend
mit
einem
Stück
Toast
in
ihrem
Spiegelei herum.
„Falls
du
beabsichtigst,
mir
einen
vorzusetzen,
mache
ich
mich
besser
gleich
davon.
Die
sind
nämlich
verdammt
giftig.“
Er
hatte
seinen
beruflichen
Weg
als
Bio-
chemiker
begonnen,
ehe
er
im
Ölgeschäft
gelandet
war.
Reste
seiner
damals
erwor-
benen Kenntnisse kamen ihnen manchmal noch zugute.
„Eine
solche
Absicht
habe
ich
nicht.
Noch
nicht!“
Sie
lachte.
„Aber
das
scheint
es
zu sein, was diese Frau zu sich genommen hat.“
„Und es steht fest, dass es kein Unfall war?“
„Hier
steht,
dass
man
diese
Pilze
im
Herbst
findet:
so
ab
September
bis
Novem-
ber. Jetzt ist Juni. Also frisch gepflückt konnten die nicht sein.“
„Da hat wohl jemand rechtzeitig einen Vorrat angelegt. War es der Ehemann?“
„Daran
denkt
man
wohl
immer
zuerst.
Obwohl
Gift
eher
als
typisch
weibliche
Waffe
gilt.
Aber
ich
frage
mich,
wie
das
funktionieren
soll.
Diese
Leute
waren
auf
Urlaub,
haben
in
Bed-and-Breakfasts
oder
Hotels
übernachtet,
meist
in
Restaurants
gegessen
oder
mal
Brot,
Käse,
Tomate
gekauft
und
dann
Picknick
gemacht.
Ich
frage
mich,
wie
er
da getrocknete Pilze in irgendwas gemischt haben könnte.“
„Kann
man
nicht
am
Mageninhalt
feststellen,
wo
und
wann
sie
was
zu
sich
genommen hat?“
„Das
ist
ja
das
Teuflische.
Hier
ist
das
vorläufige
Statement
des
naturwissenschaft-
lichen
Dienstes:
Von
grünen
Knollenblätterpilzen
wird
einem
nach
acht
bis
zwölf
Stunden
erst
mal
schlecht,
aber
das
geht
vorbei.
Nach
fünf
Tagen
versagt
dann
die
Leber,
spätestens
nach
zehn
Tagen
ist
man
tot.
Wir
müssen
also
feststellen,
was
die
Frau
vor
zehn
Tagen
gegessen
hat,
nicht,
was
sie
kurz
vor
ihrem
Tod
zu
sich
ge-
nommen hat.“
„Und die Leute waren in dieser Zeit unterwegs?“
„Ja.
Drei
Wochen
Rundreise
mit
dem
Auto.
Ohne
Plan.
Nach
Lust
und
Laune.
Und
Wetter.
Der
Ehemann
hilft
der
Polizei
bei
ihren
Ermittlungen.
Wir
werden
mit
ihm
anfangen müssen.“
„Und den triffst du in Inverness? Das ist ja nicht so schlimm.“
„Nein.
Sie
haben
ihn
nach
diesem
Aultbea
zurückkehren
lassen.
Ihr
Gepäck
und
ihr
Auto
ist
noch
dort.
Und
die
Wirtin
von
dem
Bed&Breakfast
scheint
ihn
in
ihre
Arme
benommen
zu
haben,
im
übertragenen
Sinne
natürlich.
Sie
versucht,
es
ihm
so
leicht
wie möglich zu machen. Also sitzt er noch da und trauert.“
„Das
heißt,
Du
musst
doch
an
die
Westküste?
Herausfinden,
wo
und
von
wem
sie
vergiftet worden ist?“
„Wenigstens
gibt
es
ein
gewisses
Zeitfenster.
Höchstens
drei,
vier
Tage,
die
in
Frage
kommen,
wenn
man
zurückrechnet.
Aber
es
ist
der
Wilde
Westen!
Die
Kollegen
dort
kümmern
sich
um
besoffene
Autofahrer
und
totgefahrene
Rehböcke.
Wenn
sie
sich
nicht gerade im Schafstall vergnügen oder dem Regen beim Regnen zuschauen.“
„Schottin,
wo
bleibt
dein
Nationalstolz?
Die
Highlands
sind
immerhin
der
bedeutendste
Teil
von
Schottland.
Unser
Alleinstellungsmerkmal!
Und
nichts
gegen
unsere
tapferen,
bodenständigen
Highlander!
Die
mit
Kilt
rumlaufen
und
mit
Baum-
stämmen
um
sich
werfen.
Ohne
die
kämen
schließlich
die
Touristen
nicht
weiter
als
bis
nach Edinburgh.“
„Und
ließen
sich
nicht
von
Pilzen
vergiften,
so
dass
ich
an
die
Westküste
muss.
Und
damit
alles
noch
ein
bisschen
amüsanter
wird,
darf
ich
Detective
Sergeant
Buchan
mitnehmen. Unseren Mann fürs Grobe!“
DS
Buchan
war
einer
der
Kollegen,
die
sich
auf
der
Karriereleiter
nur
sehr
gemächlich
nach
oben
bewegten,
weil
sie
sich
aus
Trägheit
oder
Eigenwilligkeit
immer
wieder
selbst
ein
Bein
stellten.
Chief
Inspector
Mairi
Forbes
hatte
nichts
gegen
Eigen-
willigkeit,
wenn
diese
kreativ
war
und
zu
Ergebnissen
führte.
DS
Buchans
Eigenwillig-
keit
war
aber
nicht
nur
von
dieser
Art.
Meist
war
es
eine
tiefe
Zufriedenheit
mit
sich
selbst,
gewürzt
mit
einer
gesunden
Prise
Frauenverachtung.
Allein
die
Vorstellung,
auf
einer
stundenlangen
Fahrt
nach
Westen
diesem
Kerl
im
Auto
ausgeliefert
zu
sein,
verdarb
Mairi
jede
Freude
auf
das,
was
ihr
Mann
spöttisch
ihren
Abenteuerurlaub
nannte.